Montag, 29. März 2010

Leutnant Schmidt und die Pazifisten

Das Zeit-Magazin brachte Anfang März 2010 ein Interview mit Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (*1918). Die Redakteure fragten ihn, warum die »alten Falken« jetzt eine Welt ohne Atomwaffen anstrebten, während den Pazifisten von damals (gemeint war die Friedensbewegung von 1979-1984) das inzwischen egal sei - so glauben die Journalisten. Sie bezogen sich auf eine Veranstaltung, auf der Schmidt, Egon Bahr, Paul Nitze, George Shultz, Henry Kissinger u.a. zur atomaren Abrüstung aufgerufen hatten. Ich wundere mich, warum die Redakteure einen Schmidt fragen, was mit den Pazifisten los sei; wäre es nicht sinnvoller, das einen Pazifisten zu fragen? Aber das ist wohl der Hauptunterschied zwischen Falken und Pazifisten: Falken werden interviewt, und Pazifisten werden nicht interviewt.

Es hat mich schon erstaunt zu lesen, wie wenig Schmidt bis heute von dem begriffen hat, was uns Pazifisten damals bewegt hat, was wir gedacht und immerhin auch laut gesagt haben. Alles klar: Wir waren bloß emotional; er war gut informiert, stets vernünftig und zu komplizierten Gedankengängen fähig.

Schmidt unterstellt uns eine Angst, die wir niemals hatten, und die in Wirklichkeit seine eigene Angst war: die Angst des Wehrmachts-Leutnants vor der Roten Armee. Wir hatten damals bekanntlich Angst vor der Neutronenbombe, vor amerikanischen Sprengköpfen, vor amerikanischen Atomkriegern - deshalb hat man uns ja Anti-Amerikanismus vorgeworfen. Aber für Schmidt war und ist es unbegreiflich, wie Deutsche Angst vor amerikanischen Atomwaffen haben konnten. Seine Angst war, dass die Amerikaner ihre Atomwaffen im Kriegsfall vielleicht nicht einsetzen und Deutschland im Stich lassen. Für ihn sind Friedensbewegte immer noch so etwas wie Deserteure, die vor der anrückenden Roten Armee kampflos kapitulieren wollen. Und er ist – das lese ich jetzt zwischen den Zeilen – immer noch stolz darauf, dass er damals als Leutnant bis zum bitteren Ende weitergemordet, Pardon: seine Pflicht getan hat.

Mit manchem älteren Herrn hatte ich schon Streit über dieses Thema. Einer davon hat damals zwei seiner Brüder verloren, weil irgendein General oder Leutnant nicht rechtzeitig kapituliert hat. Aber dennoch lässt er auf diesen General oder Leutnant bis heute nichts kommen. Schuld war in seinen Augen einzig und allein die Rote Armee.

Donnerstag, 11. März 2010

Bankentribunal in Berlin am 9.-11. April 2010

Das Leben ist zwar keine Gerichtsverhandlung, aber ein bisschen Justitia tut dann doch gut:

Attac und andere wollen den internationalen Großbanken, die die Finanzkrise zu verantworten haben und jetzt, gedeckt durch staatliche Garantien, munter so weiter spekulieren wie zuvor, den Prozess machen. Der Prozess findet am 9.-11. April 2010 in der Berliner Volksbühne statt.

Fünf Richterinnen und Richter: Sozialrichter Jürgen Borchert, Terre-des-Hommes-Geschäftsführerin Danuta Sacher, Wirtschaftswissenschaftler Karl Georg Zinn, Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach und taz-Redakteurin Ulrike Hermann, werden ein Urteil im Namen der Bürgerinnen und Bürger sprechen. Den angeklagten Bankiers, Wirtschaftsprüfern und Politikern wurden am 27. Februar die Vorladungen zugestellt. Sie bekommen renommierte Pflichtverteidiger wie den Wirtschaftsjournalisten Wolfgang Kaden zur Seite gestellt, die an ihrer statt sprechen werden, falls sie nicht erscheinen. Prominente Zeuginnen und Gutachter werden mit ihren Aussagen die Praktiken von Politik und Wirtschaft erhellen.

In drei Beweisaufnahmen werden individuelle Schuld und systemische Krisen aufgerollt. Die Anklage lautet auf Aushöhlung der Demokratie, Zerstörung der Lebensgrundlagen in Nord und Süd und Vorbereitung der nächsten Krise bzw. die verpasste Chance auf Regulierung der Finanzmärkte.

Zum Attac-Bankentribunal
Kartenvorverkauf